asut-Bulletin
Smart data for smart mobility
Ausgabe
08/2017
Frei fliessende Daten für frei fliessenden Verkehr

Selbstfahrende und selbständig parkierende Autos, intelligente Verkehrsleitsysteme und optimierte Verkehrsströme: Um den Verkehrskollaps zu verhindern und das Verkehrssystem nachhaltiger zu gestalten, muss die Mobilität smarter werden, d. h. vermehrt auf die intelligente Nutzung von Daten setzen. An einer gemeinsamen Fachtagung zum Thema haben asut, der Schweizerische Verband der Telekommunikation, das Bundesamt für Strassen (ASTRA), its-ch und TCS zu ergründen versucht, wie das zu bewerkstelligen wäre.

Wir stecken mitten in einer Übergangsphase, dieser Befund zog sich als Leitmotiv durch die Tagung im Berner Kursaal. Die Schweiz stösst raumplanerisch an ihre Grenzen, gleichzeitig wachsen der Personen- und Güterverkehr immer weiter. Der Ausbau des bestehenden Verkehrsnetzes – oder «noch mehr Beton und Schiene», wie die Verkehrspolitikerin Edith Graf-Litscher es in einem fulminanten Vortrag umschrieb –, kann als Antwort auf die wachsenden Mobilitätsbedürfnisse deshalb nicht mehr überzeugen. Mehr Kapazität schaffen können jetzt nur noch die Digitalisierung, die Vernetzung, der bewusste Einsatz von smarten Daten, der Mut zur Innovation: «Es geht jetzt darum, gemeinsam intelligente Lösungen zu finden», sagte Graf-Litscher und rapportierte aus dem Parlament, dass die Dringlichkeit der Lage dazu führe, dass noch bis vor kurzem verhärtete Fronten sich nun aufweichen würden.

Die vielfältigen Herausforderungen, die es dabei zu bewältigen gibt, wurden an der Tagung aufgezeigt. Da lancierte beispielsweise asut-Präsident Peter Grütter einen flammenden Appel an die Unternehmenswelt, ihre Daten nicht eifersüchtig in Datensilos zu horten, sondern frei zirkulieren zu lassen, damit sie im vernetzten Informationsaustausch ihr strategisches Potenzial entfalten könnten. Und Frank Henschke, CTO Ericsson Schweiz, erklärte apodiktisch, dass der Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G in der Schweiz ohne ein Anheben der geltenden Grenzwerte schlicht nicht möglich sein werde. Ohne Zweifel: Die smarte Mobilität von morgen ist darauf angewiesen, dass Maschinen miteinander kommunizieren können und 5G ist eine Grundvoraussetzung dafür. Peter Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik an der Universität Luzern, erinnerte jedoch daran, dass jede Innovation den geltenden Gesetzen Rechnung tragen müsse und insbesondere das Recht auf Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung Menschenrechte seien, die auch in einer smarten Welt weiterhin ihre Gültigkeit behalten müssten: «Es geht hier um normative Standards, die die Menschheit in langen mühsamen Kämpfen errungen hat und die wir nicht einfach so preisgeben sollten.» Peter Goetschi, Zentralpräsident TCS, stimmte ihm zu: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz lasse sich das innovative Potenzial der Digitalisierung nicht erreichen, warnte er. Und diese Akzeptanz wiederum hänge direkt davon ab, ob es gelinge, mit Daten sicher umzugehen.

Mit anderen Worten: Wirklich smart wird die Mobilität der Zukunft erst sein, wenn es ihr gelingt die verschiedene Sensibilitäten von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auszubalancieren – ein schwieriges Unterfangen, aber eines, das eben zu der Übergangsphase, in der wir stecken, gehöre, wie Astra-Direktor Peter Röthlisberger sagte: «Die Trial-and-Error-Phase dauert sicher noch drei bis fünf Jahre», meinte er. Was an ihrem Ende stehen könnte, schien an der Tagung in verschiedenen Referaten immer wieder auf: Etwa wenn Felix Eberli, Leiter der Abteilung Embedded & Automotive bei der Supercomputing Systems AG, vollautonome Autos heraufbeschwörte, die wie von Geisterhand bewegt, jedem Hindernis ausweichen. Oder wenn Nils Planzer, CEO Planzer Transport AG, intelligente Laster auf die Strasse schickte und Prof. Dr. Dominik Herrmann von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg die Freuden (und Leiden) im Tag eines Smart-Car-Nutzers anschaulich schilderte.
 

Das Fazit des Tages in zwei Tweets:
 

und:

 

 

Schweizer geben das Steuer nur ungern aus der Hand

Der Verkehr der Zukunft ist smart. Aber ist die Schweizer Bevölkerung bereit für Autos, die selber fahren, selbständig parkieren oder sogar von allein bestimmen, welches die beste Route ist, um von A nach B zu kommen? Eine von asut in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Schweizerinnen und Schweizer sich zwar mit technischer Unterstützung beim Führen eines Fahrzeuges durchaus anfreunden können, völlig autonomen Fahrzeugen hingegen starke Vorbehalte entgegenbringen – das Steuer ganz aus der Hand zu geben widerstrebt den meisten – die Aussicht, dafür unterwegs arbeiten können, könnte immerhin die Gruppe, die dies heute im ÖV bereits tut, zu einem Wechsel aufs Auto bewegen. Als nützlich erachtet wird der Einsatz von autonomen Fahrzeugen hingegen im öffentlichen Verkehr und für ältere Menschen, die dadurch länger mobil bleiben könnten.

Durchgeführt wurde die Studie vom Beratungsbüro EBP Schweiz AG unter der Leitung von Dr. Peter de Haan. Sie kann – zusammen mit allen Referaten der Tagung – unter www.asut.ch (Rubrik Publikationen/Studien) unentgeltlich heruntergeladen werden.

 

 

Christine D'Anna-Huber

Christine D'Anna-Huber ist Redaktionsleiterin des asut-Bulletins und Inhaberin des Textbüros cdh, Kommunikation und Texte in Bern. Zuvor war sie u. a. Westschweizkorrespondentin und Afrika-Korrespondentin des Tages-Anzeigers.

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