asut-Bulletin
Digital Shopping World
Ausgabe
01/2017
Sharing Economy – ein Wirtschaftstrend, keine Ideologie

Kein Zweifel: Das enorme Tempo des technologischen Wandels verändert das Konsumverhalten. Wie in vielen anderen Bereichen bedeutet Digitalisierung auch hier, dass Ressourcen effizienter verwaltet werden können. Das verändert unsere Ansprüche: Wir stellen andere Anforderungen, kaufen anders ein, gewöhnen uns an, dass alles jederzeit zu haben ist. Denn Waren sind einfacher verfügbar, schneller, bequemer. Wir müssen sie dehalb auch nicht mehr unbedingt besitzen, um ihrer sicher zu sein. Allenthalben wird mit Geschäftsmodellen experimentiert, die auf Teilen, Vermieten und Zusammenarbeit basieren. Die Digitalisierung schafft mit ihren technologischen Mitteln die Voraussetzungen dafür, Güter und Dienstleistungen teilen zu können.

Teilen ist das neue Besitzen, hören wir allenthalben. Und das tönt gut. Aber steckt hinter dem Trend wirklich eine Wertverschiebung?

Man könnte es meinen. Was müssen wir darüber nicht alles hören: Die Leute, und zwar insbesondere junge Leute seien heute weiger materialistisch als ihre Vorgängergeneration, strebten statt nach dem schnöden Schein mehr nach dem Sein, seien dem Eigentum abhold, altruistisch und der Nachhaltigkeit verpflichtet. Besitz wird temporär, das Auto leiht man sich, Musik und Filme werden gestreamt, Kleider und die Bohrmaschine mit den Nachbarn geteilt. Fast könnte man den Glauben an das Gute im Menschen zurückgewinnen. Oder sich ernsthaft Sorgen machen um ein Wirtschaftssystem, das auf dem Konsum beruht. Wird unsere Jugend aus lauter Idealismus Kommerz und Handel in den Ruin stürzen? Erfindet die Generation der Digital Natives den Konsum neu? Hat die Digitalisierung das Ende der Wegwerfgesellschaft eingeläutet? Und: ist das alles, in einer Welt, in der die Kluft zwischen Arm und Reich sich immer weiter vertieft, wirklich plausibel?

Es gibt allerdings Stimmen, die die Idee, dass das Konsumverhalten und insbesondere das Konsumverhalten  junger Leute hauptsächlich durch ideologische Motive getrieben sei, dezidiert zurückweisen. Viel eher, argumentieren sie, habe es mit der Verknappung und Limitierung zu tun, als mit Idealismus: Wo erschwinglicher Wohnraum teuer wird, sind gemeinschaftliche Wohnformen ein praktischer Ausweg – und können dank Digitalisierung effizienter gemanagt werden, als früher durch die Aushänge an irgendeinem schwarzen Brett. Dass der Lebensstandard der Jüngeren selbst in der Schweiz nicht mehr so wächst wie zur Zeit ihrer Eltern und Grosseltern, sagt vielleicht mehr darüber aus, warum Autos geteilt werden: Es kommt günstiger.

 

 

Christine D'Anna-Huber

Die Publizistin Christine D'Anna-Huber ist Redaktionsleiterin des asut-Bulletins und Inhaberin des Textbüros cdh, Kommunikation und Texte in Bern. Zuvor war sie u.a. Westschweizkorrespondentin und Afrika-Korrespondentin des Tages-Anzeigers.

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