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5G: It's all about connectivity
Ausgabe
03/2021
5G – doch nicht so wichtig?

Von Michael Lieberherr

Eine Umfrage am diesjährigen Swiss Economic Forum in Interlaken zeigte ein erstaunliches Desinteresse gegenüber 5G. Derweil machen andere Firmen vorwärts und nutzen die Gunst der Stunde, um mit 5G und weiteren Technologien echten Nutzen zu schaffen – beispielweise im Gleisbau.

422 Führungskräfte wurden anlässlich des Swiss Economic Forum in Interlaken nach den grössten Chancen für ihre Unternehmen befragt und verorteten 5G auf Platz 13 – von 14 Plätzen. Die Resultate zeigen auf den ersten Blick ein erstaunliches Desinteresse gegenüber 5G. Woran kann das liegen, ist doch 5G eine der wesentlichen Innovationsplattformen der Zukunft?

Eine genauere Betrachtung zeigt, dass in der Umfrage Anwendungen und Technologie vermischt wurden. Denn bei den genannten Chancen auf den vorderen Rängen spielt auch 5G eine wichtige Rolle: Automatisierung, IoT, Big Data, KI oder Robotik.

Die Antworten legen ein symptomatisches Problem in der Wahrnehmung offen: 5G ist nicht um 5G willens, wie es die Branche oft darstellt, sondern ermöglicht zukunftsträchtige Anwendungen. Und darauf gilt es zu fokussieren. Das weckt das Interesse. Es wird auch kaum reine 5G-Anwendungen geben, sondern Anwendungen benötigen 5G plus IoT, Cloud oder eben Data Analytics. Wenn man so will: 5G ist der Kitt, der alles zusammenhält.

 

Hartes Umfeld

Wie dieser Kitt funktionieren kann, zeigt das Gemeinschaftsprojekt der Rhomberg Sersa Rail Group und Swisscom. Der Bahninfrastrukturbau ist ein besonders hartes Umfeld. Für Menschen und Maschinen: Extrem kurze Zeitfenster, Nachtschichten, gefährliche und harte körperliche Arbeit. Im Tunnel beispielsweise kann nicht einfach die Anzahl Maschinen oder Arbeiter verdoppelt werden, sondern es braucht eine akribische Planung. In vielen Fällen könnte die Digitalisierung Abhilfe schaffen. In der Zukunft wird erst ein digitales Abbild einer Baustelle, genannt digitaler Zwilling, erstellt, simuliert und optimiert, bevor die Bagger mit Kies und Schotter auffahren und das Modell 1:1 umsetzen.

Das Schweizer Familienunternehmen Rhomberg Sersa Rail Group hat den Spagat zwischen Baustellenrealität und Technologie geschafft. Hier kommen grosse Maschinen, Kies, Schotter und Stahl mit 5G, dem Internet der Dinge, der Cloud und Data Driven Business zusammen. Zentral für die künftigen Vorhaben ist für Rhomberg Sersa dabei auch das 5G-Netz.

Bilderkennung hilft der Planung

Wenn die Rhomberg Sersa heute in sehr engen Zeitfenstern, meist in der Nacht, auf die Baustelle tritt, helfen mehr und mehr digitale Tools den Schwerarbeitern. Die ersten Schritte für die digitale Baustelle sind bereits umgesetzt, wie beispielsweise die Künstliche Intelligenz. Sie erkennt die Baumaschinentypen auf Bildern. Christian Schollenberger, Head of IT bei Rhomberg Sersa erklärt: «Wir gaben den Data Scientists von Swisscom 40 Stunden Zeit, ein entsprechendes Datenmodell zu entwickeln. Auf Fotos können wir Geräte und Maschinen auf Bildern erkennen. Das Modell hat nun 95 Prozent Treffsicherheit.» Diese Informationen fliessen in die Planung und Logistik ein.

Hubert Rhomberg sagt zu Innovation: «Innovation ist keine Hexerei, sondern systematisches Vorgehen. Ideen sammeln, evaluieren, parkieren, verwerfen oder weiterziehen. Von zehn Ideen schaffen es maximal zwei weiter.» Aber nicht um jeden Preis: «Man muss den Rahmen genau abstecken und aufhören, wenn das gegebene Ziel nicht erreicht ist. Dann werden Ideen verworfen oder die Zeit war noch nicht reif», ergänzt Hubert Rhomberg. 

Ein weiterer Schritt ist der Prototyp eines Messwagens, auf dem eine Cloud, Mobilfunkanbindung und vieles mehr verbaut ist. Christian Schollenberger sagt: «Die Kameras auf dem Messwagen messen das Bahntrasse während der Fahrt mit einer Genauigkeit von Zehntelsmillimeter aus. So erkennt man, wo Unterhaltsarbeiten nötig sind und kann Ausfälle auf dem dichtest befahrenen Bahnnetz der Welt verringern.» Der Messwagen erkennt übrigens sogar gelöste Muttern, auch wenn er mit 60 km/h über das Gleis fährt.

Das konkrete Projekt Rhomberg Sersa - Swisscom

Im gemeinsamen Projekt entwickeln und testen Rhomberg Sersa und Swisscom Teilprojekte für die digitale Baustelle.

  • Lokale 5G-Netze auf Baustellen, die sämtliche Geräte und Maschinen verbinden, welche Daten erzeugen. Diese Anwendung ist vor allem international von Bedeutung, wo die Mobilfunkabdeckung tiefer als in der Schweiz ist und temporäre lokale Netz in die Bresche springen könnten.
  • Lokale Cloud auf einem Eisenbahnwagen, welche die grossen Datenmengen mittels Künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen (Machine Learning) auf der Baustelle vorverarbeitet. Hier geht es um Anwendungen zur Personensicherheit (z.B. mittels Bilderkennung in gefährlichen Situationen), Baufortschritt sowie Messungen.
  • Edge IoT: Wie können Artificial Intelligence und Machine Learning Modelle direkt auf den IoT-Geräten anstelle einer Cloud genutzt werden?
  • Tracking und Lokalisierung von Maschinen und Dingen auf verschiedenen Baustellen in verschiedenen Ländern. Dies ist zentral, weil die Wartungsfenster enorm kurz sind und daher Baustellen perfekt geplant werden müssen.
  • Verwerten sämtlicher Maschinendaten, um Ausfälle proaktiv zu vermeiden, direkt zu verrechnen oder für die Alarmierung.
Michael Lieberherr

Michael Lieberherr ist Senior Communication Manager 5G & IoT bei der Swisscom AG.

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