asut-Bulletin
ICT und Medizin
Ausgabe
03/2020
Der (fast) unfehlbare Dr. Watson

Endergebnis eines DNA-Sequenzierungsprozesses. Jede Farbe repräsentiert eine der vier Basen, aus denen DNA besteht. (iStock)

 

Als erstes europäisches Universitätsspital setzt das Unispital Genf (HUG) seit Herbst 2019 bei der Krebsbehandlung auf Künstliche Intelligenz. Ein IBM-Supercomputer hilft den Ärzten dabei, die individuell beste Therapie zu ermitteln.

(cdh/keystone-sda) – Kein Tumor gleicht dem anderen. Und genauso unterscheidet sich von Fall zu Fall auch die bestmögliche Krebstherapie. Anhand von Mutationen im Erbgut der Tumorzellen lässt sich ein Tumor kategorisieren und ermitteln, welche Therapie sich zu seiner Bekämpfung am besten eignet. Das auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Tool von IBM Watson Health unterstützt die Krebsspezialisten am HUG dabei, die individuell richtige Behandlung zu finden. «Watson Genomics» durchforstet Unmengen von medizinischer Fachliteratur und klinischen Studien und erstellt daraus einen Bericht. Und zwar ungeheuer schnell: Was Ärzte manuell rund 160 Stunden ihrer Zeit kosten würde, erledigt «Watson for Genomics» in zehn Minuten.  

Stärken und Schwächen der KI

IBM hat verschiedene KI-basierte Tools für personalisierte Medizin entwickelt. In Kritik geriet dabei zeitweise «Watson for Oncology» nach Berichten, dass das Tool unter Umständen falsche oder gar gefährliche Therapievorschläge produziere. «Watson for Oncology» soll mittels Textanalyse aus medizinischer Fachliteratur und den Patientenakten lernen und Therapiestrategien entwickeln. Die Datengrundlage erwies sich jedoch als sehr komplex für die Analyse durch die KI. Gerade in Patientenakten liegen die Informationen nicht immer so klar vor, wie es eine KI bräuchte.

Zudem zeigte sich als Hürde, dass sich die auf Statistik beruhende «Denkweise» der KI, um Datenmengen zu durchforsten und Informationen zu gewichten, von der eines erfahrenen Mediziners unterscheidet. Letzterer findet relevante Information für Therapieentscheide mitunter in einem Nebensatz oder bemerkt, dass sein Patient zu einer kleinen Gruppe von Sonderfällen gehört, bei denen eine Therapie wirksam ist. Für eine nach Statistik-gewichtende KI sind Sonderfälle hingegen nicht relevant.

Bei «Watson for Genomics» liegt der Fall etwas anders: Genomische Daten sind weit strukturierter als Patientenakten. Genmutationen sind unmissverständlich vorhanden oder nicht. Das Tool durchforstet Fachliteratur und klinische Studien nach bestimmten Aussagen zu diesen Mutationen und lenkt so womöglich die Aufmerksamkeit auf neue Medikamente oder gerade begonnene klinische Studien, von denen ein Patient oder eine Patientin profitieren könnte. So unterstützt «Watson for Genomics» die Krebsspezialisten dabei, Behandlungsentscheidungen auf der Grundlage der neuesten verfügbaren Erkenntnisse zu fällen.

 

Personalisierte Medizin braucht Vernetzung

In der Schweiz erhebt das Swiss Personalized Health Network (SPHN) im Auftrag des Bundes Gesundheitsdaten für Forschungszwecke. Das SPHN ist eine nationale Initiative unter der Federführung der Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW). In Zusammenarbeit mit dem SIB Schweizerisches Institut für Bioinformatik trägt das SPHN zur Entwicklung, Implementierung und Validierung von koordinierten Dateninfrastrukturen bei, um gesundheitsrelevante Daten für die Forschung nutzbar zu machen. Es verfolgt einen dezentralisierten Ansatz und baut auf bereits bestehende, nationale Datenquellen und Infrastrukturen. Um Gesundheitsdaten interoperabel zu machen, vereint das SPHN Entscheidungsträger aus den wichtigsten Organisationen in der klinischen Forschung, der Forschungsförderung, sowie der Patientenorganisationen.

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