asut-Bulletin
ICT und Medizin
Ausgabe
03/2020
Was ist eine gute Gesundheits-App?

(eHealth Suisse) – Von einfachen Fitness-Trackern und Lifestyle-Anwendungen über Gesundheitstagebücher bis hin zu komplexen Programmen zur Diagnostik und Therapie: Die Zahl der auf dem Markt verfügbaren Gesundheits-Apps explodiert – 2017 ging das Angebot in den beiden grossen App-Stores in die Hundertausende. Sich in diesem überwältigenden Angebot zurechtzufinden, zu wissen, welche Apps für welchen Zweck taugen, welche nicht nur benutzerfreundlich, sondern auch sicher und verlässlich sind und darüber hinaus den Ansprüchen des Datenschutzes genügen, ist für allgemeine Anwender beinahe unmöglich. Auch Gesundheitsfachleuten fällt es schwer abzuschätzen, welche Apps sie ihren Patienten unbesorgt empfehlen können. Die in den App-Stores hinterlegten Beschreibungstexte helfen meist nicht weiter und eine einheitliche und allgemein anerkannte Bewertungsmethode gibt es weder im In- noch im Ausland. Das schadet letztlich auch den Herstellern: Sie vermissen ihrerseits einen Standard, mit dessen Hilfe die Qualität ihres Produktes glaubwürdig zu belegen wäre.

 

Gesundheitsapp (Quelle: Pixabay)
 

Orientierungshilfe im App-Dschungel

Heute besitzen neun von zehn Schweizerinnen und Schweizern ein Smartphone und der Internetzugang erfolgt mehrheitlich mobil. Es ist daher absehbar, dass von Gesundheits-Apps erhobene Daten auch ins elektronische Patientendossier (EPD) einfliessen werden. Der Gesetzgeber hat dieses nämlich explizit als ein Instrument für die Patienten konzipiert: Sie bestimmen nicht nur, wer auf ihr Dossier Zugriff hat, sondern können dort auch selber Daten und Dokumente hochladen. Um so wichtiger ist es, ihnen dabei zu helfen, sich im App-Dschungel zurechtzufinden. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Kompetenz- und Koordinationsstelle eHealth Suisse, die für die Umsetzung des elektronischen Patientendossiers zuständig ist, nun einen einheitlichen Kriterienkatalog zur Selbstdeklarierung der Qualität von Gesundheits-Apps vorlegt. Mit seiner Hilfe sollen Patienten, Gesundheitspersonal und Bevölkerung sich unkompliziert und schnell ein Bild davon machen können, welche Gesundheits-App für welchen Zweck geeignet ist. eHealth Suisse hat einen ausgewiesenen Experten im Mobile-Health-Bereich damit beauftragt, die Kriterienliste für die Selbstdeklaration der Qualität von Gesundheits-Apps zu erarbeiten. Die Liste berücksichtigt sowohl den aktuellen Stand der Forschung als auch Erkenntnisse aus der Praxis und industrielle Normierungen, wie beispielsweise internationale Standards zur Evaluation von Software. Um den Rückhalt in Herstellerkreisen und im Gesundheitsumfeld sicherzustellen, wurden bei der Definition der neun Kriterien alle relevanten Stakeholdergruppen konsultiert. Und schliesslich überprüfte und verabschiedete eine Arbeitsgruppe von eHealth Suisse den Katalog.

Er präsentiert sich in Form von neun Qualitätskriterien, die mithilfe von 19 Merkmalen und 25 Anforderungen inhaltlich weiter präzisiert werden können. Anhand dieser neun wichtigsten Eckpunkte lässt sich jede Gesundheits-App charakterisieren. Dabei ist es die besondere Stärke des Katalogs, dass er nicht zu sehr ins Detail geht. Sein flexibles Grundgerüst wird somit auch in einem hochdynamischen Markt seine Gültigkeit langfristig behalten. Noch wichtiger ist, dass es den verschiedenen Akteuren genügend Spielraum lässt, um dem Kriterienkatalog ihren eigenen Stempel aufzudrücken: So können Fachverbände, Patientenvertretungen oder Konsumentenorganisationen jeweils genau die Qualitätsmerkmale in den Vordergrund stellen, die aus ihrer Sicht für ihre Zielgruppe besonders relevant sind, beispielsweise mittels Ausfüllhilfen für die App-Anbieter oder Checklisten für App-Nutzerinnen und -Nutzer. Für die Fachgesellschaft für Pädiatrie werden das nicht dieselben Qualitätsmerkmale sein wie für eine Hausärztin oder eine Patientenselbsthilfegruppe. Dieses Feedback durch die Stakeholder wird seinerseits dazu führen, dass der Kriterienkatalog je nach spezifischem Anwendungsfall weiter verfeinert wird und damit eine immer bessere Orientierungshilfe bietet.

Die neun Qualitätsprinzipen

Transparenz Es müssen genügend gültige und verlässliche Informationen darüber vorliegen, welche Qualitätsanforderungen die App sowie die ihr zugrundeliegende Software erfüllen. Zudem muss diese Information so aufbereitet sein, dass sie für die angesprochenen Zielgruppen verständlich und nachvollziehbar ist.
Zweckmässigkeit Es muss klar sein, welchen Zweck die App erfüllen soll und nachgewiesen werden, mit welchen Methoden und wie gut sie diesen erfüllen kann. Ebenso eindeutig erkennbar muss sein, für welchen Zweck und für welche Nutzergruppen die App nicht geeignet ist.
Risikoangemessenheit Hier muss dargelegt werden, ob und mit welchen gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Risiken die Nutzung der App verbunden ist oder sein könnte. Es muss deutlich werden, ob der Nutzen der App die möglichen Risiken überwiegt und welche Vorkehrungen der Hersteller getroffen hat, um diese soweit wie möglich auszuschliessen.
Ethische Unbedenklichkeit Der Hersteller muss den Nachweis erbringen, dass bei der Entwicklung, der Nutzung und beim Vertrieb keine Prinzipien der Berufs- oder Forschungsethik verletzt werden, dass also die App Prinzipien wie Patientenautonomie und Zugangsgerechtigkeit sowie die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis respektiert. Mögliche Interessenskonflikte sind offen zu deklarieren.
Rechtskonformität Welche einschlägigen rechtlichen Anforderungen werden bei der Entwicklung, beim Angebot, beim Betrieb und bei der Nutzung der App berücksichtigt? Wichtig sind hier neben dem Datenschutzrecht bei Gesundheits-Apps insbesondere gesundheitsrechtliche Vorgaben.
Inhaltliche Gültigkeit Die Selbstdeklaration muss aufzeigen, wie die Qualität der Inhalte gewährleistet wird und wie der Hersteller sicherstellt, dass diese Inhalte regelmässig und für die Nutzer erkennbar auf den aktuellsten Stand des Wissens und der regulatorischen Anforderungen gebracht werden.
Technische Angemessenheit Die App muss neusten technischen Anforderungen genügen. Zudem ist sicherzustellen, dass sie den technischen Erfordernissen regelmässig angepasst wird, dass sie plattformunabhängig ist und ohne Verlust von Daten in andere Geräte integriert werden kann.
Gebrauchstauglichkeit Die App muss so gestaltet sein, dass sie den speziellen Ansprüchen der angesprochenen Zielgruppe oder Zielgruppen entgegenkommt oder dass diese die Software ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend flexibel und barrierefrei anpassen können. Den Nutzenden muss zudem die Möglichkeit offenstehen, mit dem Hersteller der App, anderen Betroffenen oder Gesundheitsfachpersonen Kontakt aufzunehmen.
Ressourceneffizienz Die App soll die zur Verfügung stehenden technischen Ressourcen – Stromverbrauch, Speicher, Rechenleistung – möglichst effizient und sparsam nutzen. Das gleiche gilt für weitere Ressourcen wie die für den Gebrauch der App aufzuwendende Zeit oder direkt damit verbundene Kosten.

Wie geht es weiter?

Es ist vorgesehen, die Selbstdeklarationen der App-Anbieter in einer zentralen Online-Datenbank zu bündeln und allen Stakeholdern sowie der Öffentlichkeit über eine Web-Plattform zugänglich zu machen: in standardisierter Form und mobil abrufbar. Für Hersteller ist die Aufnahme in dieses Verzeichnis freiwillig, stellt gleichzeitig aber eine attraktive Möglichkeit dar, ihre App bekannt zu machen. Denkbar ist auch, dass Verbände von Konsumenten, Patienten oder Gesundheitsfachpersonen für ihre Zielgruppen auf der Basis der Selbstdeklaration konkrete Empfehlungen erarbeiten. Zurzeit ist noch offen, wer eine solche unabhängige Web-Plattform möglichst nutzerfreundlich umsetzt, betreibt und finanziert. Neben eHealth Suisse könnten der Bund oder eine private Trägerschaft wie beispielsweise eine Stiftung die Verantwortung für diese Aufgabe übernehmen.

Der von eHealth Suisse ausgearbeitete Kriterienkatalog zur Qualität von Gesundheitsapps steht hier zum Download bereit.

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