asut-Bulletin
Fortschritt und Risiko
Ausgabe
02/2020
Das Neue. Das Gefährliche. Das Notwendige.

Die Altersvorsorge, die Gesundheit/Krankenkassen und die Ausländer-Thematik waren laut Sorgenbarometer Ende 2019 die drei grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Gemäss dem Risikobericht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz BABS müssten jedoch eine Strommangellage, Pandemien oder die Hitzewelle eigentlich die Top-Plätze belegen. Auch ein Ausfall der ICT-Infrastruktur würde verheerende Folgen nach sich ziehen. Ängste und Sorgen der Bevölkerung decken sich nicht immer mit tatsächlichen Risiken.

Beim Thema Mobilfunk und 5G erleben wir diese verzerrte Risikowahrnehmung und subtilen Ängste der Bevölkerung unmittelbar. 5G wird als etwas Neues und Unbekanntes wahrgenommen. Und das ist für manch einen bedrohlich und gefährlich. In 5G manifestieren sich derzeit generelle Ängste und Unsicherheiten darüber, wohin unsere Reise als Gesellschaft geht. Unsere Verhaltensweisen wurden durch den Mobilfunk und die Möglichkeiten des Smartphones in den letzten 20 Jahren zutiefst beeinflusst. Wie unabdingbar der Mobilfunk in unserem Alltag geworden ist, wird uns oft erst bewusst, wenn wir darauf verzichten müssen. Die meisten kehren nach Hause zurück, wenn sie feststellen, dass sie das Smartphone vergessen haben. Die Vorteile der schnellen Datenübertragung und der überall verfügbaren Informationen sind ungemein nützlich, bieten aber auch Angriffsfläche. Die hohe Geschwindigkeit und Parallelität mit der heute Dinge geschehen, kann durchaus überfordern und belasten. Deshalb überrascht es nicht, dass neue Technologien wie 5G, die alles noch schneller und agiler machen sollen, auf Widerstand stossen.

Angst ist jedoch bekanntlich ein einseitiger und schlechter Ratgeber. Denn wo wären wir heute, ohne den Mut zur Innovation und stetigen Weiterentwicklung wichtiger Technologien? Blicken wir zurück: Im Jahr 1900 wurde in Graubünden das Auto kurzerhand verboten. Heute möchte im Bergkanton wohl kaum jemand noch abhängig von der Postkutsche sein. Dennoch hielt das Verbot 25 Jahre. Gutbürgerliche Kreise kritisierten Ende des 19. Jahrhunderts, dass das Telefon ein Eingriff in die Privatsphäre sei. Gerade in den vergangenen Wochen während des Corona-Lockdowns hätte wohl niemand auf die Möglichkeit der (Video-)Telefonie verzichten wollen, um mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben oder den Alltag zu organisieren. Zurückblicken ist bekanntlich immer einfacher – unabhängig von einzelnen Beispielen bleibt jedoch eine Konstante: Es ist nicht im Interesse der Gesellschaft, sich der Entwicklung und Innovation aus Angst zu verschliessen. Neue Ideen und Techniken verdienen eine Chance.

Stillstand birgt die Gefahr, dass die Schweiz und gar Europa abgehängt werden. Im Bereich ICT gibt es nur noch drei europastämmige Wettbewerber, die global aufgestellt sind und mitreden können. Die Musik spielt derzeit vor allem in Nordamerika und Asien. Gerade die jüngsten Ereignisse haben aber gezeigt, dass wir hier vor Ort am Ball bleiben müssen. Der Telekommunikationsbranche kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Denn es geht nicht «nur» um Fortschritt. Es geht um Sicherheit, das Aufrechterhalten von Wirtschaft und Gesellschaft im Ausnahmezustand und nicht zuletzt um Lebensqualität im Privaten. Den Fortschritt kann man gestalten, beim Stillstand aber werden wir von anderen getrieben und machen uns abhängig.

Es ist wichtig, dass wir die diffusen Ängste und die daraus resultierende zunehmende Verweigerung und Technologiefeindlichkeit in der Bevölkerung ernst nehmen und ihr gezielt und stetig entgegenwirken. Science-Fiction-Legende Arthur C. Clarke sagte: «Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden». Magie schüchtert ein und fasziniert gleichzeitig. Wir müssen wieder mehr die Faszination wecken, die wir als Branche ermöglichen können. So bekämpfen wir die grassierende Technologiefeindlichkeit am effektivsten.

Martin Bürki

Martin Bürki ist Country Manager Ericsson Schweiz und asut-Vorstandsmitglied.

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