asut-Bulletin
Energiebranche unter Strom
Ausgabe
07/2017
Alpiq: Es kommen riesige Veränderungen auf uns zu

asut: Wie ist Alpiq zu Elektromobilität gekommen – war das Motiv dahinter, sich als Stromproduzent in einem unsicheren Umfeld neue Geschäftsfelder zu erschliessen?

Arnet: Nein, Alpiq hat sich schon vor den grossen Umwälzungen im Energiemarkt für Elektromobilität interessiert und zwar eher aus der Überlegung, welche wirtschaftlich tragbaren Lösungen zu einer sicheren Energieversorgung und zum Abbau der Treibhausemissionen beitragen könnten. Was uns interessierte war beispielsweise, was ein E-Auto-Boom für die Stauseen bedeuten würde und ob das Übertragungsnetz ihm standhalten könnte – solche Fragen haben wir damals in einer Studie mit der EPFL analysiert. Einer der wichtigsten Befunde dieser Analyse war aber, dass die Schweiz die C02-Emissionsziele für 2020 nur mit einem Marktanteil von rund 15 Prozent Elektrofahrzeugen würde erreichen können – was natürlich auch eine genügende Anzahl von Ladestationen und Installationen voraussetzt. Das hat Alpiq interessiert: Wir sind ja nicht nur ein Stromproduzent und -händler, sondern auch der grösste Installateur in der Schweiz.

Als es mit der E-Mobility los ging in der Schweiz, waren Sie also bereit...

Uns war klar, dass in der Autoindustrie grosse Veränderungen anstanden. Und sobald Toyota als erste Firma die Elektroautos in die Schweiz brachte, haben wir unsere Dienstleistungen angeboten und sind ins Geschäft gekommen.

Warum ist Alpiq so felsenfest davon überzeugt, dass die Zukunft der Elektromobilität gehört?

Wir glauben, dass die Autoindustrie vor einem riesigen Wandel steht – in etwa vergleichbar mit dem Umstieg von der Kutsche aufs Auto. Es kommen gegenwärtig einfach sehr viele Dinge zusammen: Die Energiestrategie 2050 und die Klimaziele, die weltweit ausser Reichweite zu geraten drohen. Das in vielen Ländern bereits für die nächste Zukunft angekündigte Ende des Verbrennungsmotors. Und schliesslich China, das ab 2019 ausländischen Autoherstellern eine 10-Prozent-Quote für Elektroautos vorschreiben will. Die Autoindustrie muss also ziemlich schnell über die Bücher und neue Geschäftsfelder finden, zumal ihr mit den fast wartungsfreien Elektroautos auch das Werkstattgeschäft mit seinen hohen Gewinnmargen wegbricht. Eines dieser neuen Geschäftsfelder könnte der Verkauf von Strom direkt in den Autos sein. Der Technologiewandel, der in der Autoindustrie ansteht, wird also auch die Energiebranche sehr direkt tangieren. Da kommen Veränderungen auf uns zu, derer sich die meisten Leute noch gar nicht bewusst sind.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Entwicklung der Elektromobilität?

Eine sehr grosse. Die optimale Ladeinfrastruktur ist der entscheidende Faktor für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit in der Elektromobilität. Zudem befassen wir uns heute mit dem Zugang zu den Ladestationen und mit den Billing-Prozessen, die dahinter stehen. In Zukunft werden sich Elektroautos automatisiert und kontaktlos bei den Ladestationen anmelden. Die digitale Vernetzung schreitet auch in der Welt der Elektromobilität mit grossen Schritten voran.

Gehören auch Stecker und Ladekabel bald der Vergangenheit an? In Genf, zum Beispiel, sind Gelenkbusse unterwegs, die an bestimmten Ladepunkten Strom per Induktion ziehen.

Das induktive berührungslose Laden ist vorerst noch eine Zukunftsvision. Bis nur schon die notwendige Normierung in den Fahrzeugen passiert, vergehen sicher etwa 3 bis 5 Jahre. Der springende Punkt aber ist meiner Ansicht nach, dass eine Schnellladung ohne Stecker zurzeit nicht möglich ist.

Aber es wäre benutzerfreundlicher und würde die Akzeptanz der Elektromobilität sicher auf einen Schlag erhöhen.

Da bin ich mir nicht so sicher. Den Stecker am Abend in der Garage in die Steckdose zu stecken ist nicht komplizierter, als zu Hause das Handy vor dem ins Bett gehen zu laden. Nur der Stecker ist ein bisschen grösser.

Was ist heute bei der Ladeinfrastruktur die grösste technische Herausforderung?

Sie hängt damit zusammen, dass Elektroautos nicht mehr als reine Stadtfahrzeuge gesehen werden. Die grossen E-Autos, die heute auf dem Markt verfügbar sind, haben bereits Reichweiten von über 350 Kilometer. In drei bis vier Jahren werden es bis zu 800 Kilometer sein. Das bedeutet, dass die Speicher in den Autos immer grösser werden und auch immer schneller geladen werden müssen, sonst wird die Zwangspause beim Laden zu lang. Das geht aber nur, wenn die Ladeleistung entsprechend gesteigert werden kann. Vor ein paar Jahren galt eine Ladeleistung von 22 kW-bereits als Schnellladung. Heute haben wir Anschlussleistungen von 350 kW. Die Vision der Fahrzeugindustrie ist es, in absehbarer Zeit in unter 15 Minuten 500 Kilometer Reichweite zuladen zu können. Das setzt den Anschluss der Ladestationen direkt ans Mittelspannungsnetz voraus und flüssigkeitsgekühlte Ladeeinrichtungen, Kabel und Stecker.

Wie lange wird es dauern, bis solche Schnelllademöglichkeiten den grossen Verkehrsachsen entlang existieren?

Die deutsch-amerikanische Autoindustrie Daimler, BMW, Volkswagen und Ford hat sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen und investiert rund 1,5 Milliarden Euro für die Bereitstellung von 400 ultraschnellen Ladestationen in Europa. Alpiq übernimmt die Suche der Standorte in Österreich und in der Schweiz, wo im März 2018 die erste Anlage bereitstehen wird.

Und wie steht es in der Schweiz abseits der Durchgangsstrassen?

Seit diesem Sommer ist die Grand Tour of Switzerland, die alle touristischen Highlights der Schweiz auf einer Reise vereint, durchgängig elektrifiziert. Wir sind sehr stolz auf diese weltweit erste offizielle Ferienstrasse, die mit ihren etwa 150 Ladestationen durchgängig mit dem Elektroauto befahrbar ist.

 

Peter Arnet

Peter Arnet ist der Geschäftsleiter der Alpiq E-Mobility AG, die er 2011 innerhalb der Alpiq InTec Gruppe gegründet und aufgebaut hat.

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