(Bildquelle: Piqsels)
Zug ist weltweit bekannt für seine Pionierrolle im Bereich der Blockchain. Dass rund um Zug über 200 Start-ups im Kanton ansässig sind, hat diesem den Übernahmen «Crypto Valley» beschert. Auch die Stadt Zug mit ihren rund 30’000 Einwohnern hat dank Blockchain den Ruf einer «globalisierten Kleinstadt» erworben. Seit Juli 2016 werden am Schalter der Einwohnerkontrolle des Städtchens Bitcoin akzeptiert, seit Herbst 2017 sammelt Zug Erfahrungen mit der weltweit ersten Blockchain-basierten elektronischen Identität und hat erfolgreich auch bereits einen ersten Versuch mit einer Blockchain-basierten Abstimmung gemacht. Martin Würmli, Stadtschreiber und Rechtsanwalt, erklärt, warum seine Stadt sich dazu entschlossen hat, sich so frühzeitig mit der Blockchain-Technologie auseinanderzusetzen.
asut: Seit 2016 setzt sich die Stadt Zug mit der Blockchain auseinander. Wie ist es dazu gekommen?
Martin Würmli: Es ist uns natürlich auch nicht entgangen, dass sich hier bei uns in Zug immer mehr Blockchain-Start-ups ansiedelten. Wir haben als Stadt den Anspruch, der Zeit voraus zu sein und wollten uns deshalb frühzeitig mit einer Technologie auseinandersetzen, die unserer Meinung nach zukünftig in der Verwaltung eine grosse Rolle spielen wird.
Angefangen haben Sie mit dem Bitcoin-Projekt.
Zunächst ging es für uns darum, zu schauen, was es für eine Verwaltung bedeutet, wenn sie Kryptowährungen entgegennehmen möchte. Bitcoin war für uns also ein erster Schritt, uns diesem Thema anzunähern. Daraus entstand dann, gemeinsam mit dem Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern und der Firma ti&m in Zürich, das Projekt der digitalen Identität. Wir alle sind immer häufiger digital unterwegs und deshalb kommt es, an der Schnittstelle zur «wirklichen Welt», auch immer öfter zu Medienbrüchen. Das kann vermieden werden, sobald es gelingt, sich auch in der digitalen Welt mithilfe einer eindeutigen und fälschungssicheren Identifikation, die nicht allein auf einem Password beruht, verlässlich auszuweisen.
Das Thema digitale Identität ist in der Schweiz hochaktuell. Der Bund setzt weiterhin auf die SwissID, während Sie in Zug eine Blockchain-basierte Lösung bevorzugen. Warum?
Wir wollen mit unserer E-Identität einen Beitrag zur Diskussion leisten. Der Hauptvorteil unserer Lösung ist in unseren Augen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Hoheit über die eigenen Daten zurückerhalten. Sie müssen ihre Daten nicht irgendwo in einer zentralen Datenbank abgeben, sondern behalten sie bei sich, zum Beispiel auf dem Mobiltelefon. Wir haben keinen Zugriff auf diese Daten, was wir in der Blockchain abspeichern ist allein deren Zertifizierung: Die offizielle Bestätigung, dass diese Daten auch stimmen.
Und was macht man mit so einer E-Identität?
Das probieren wir nun mit verschiedenen Pilotprojekten aus. Eines davon ist die elektronische Abstimmung, die wir durchgeführt haben. Um daran teilzunehmen, mussten sich die Stimmbürgerinnen und -bürger mit ihrer digitalen Identität anmelden. So war sichergestellt, dass sie ihre Stimme nur einmal abgeben konnten. Wir haben ausserdem eine Lösung gefunden, die es ihnen erlaubte, nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu kontrollieren, ob ihre Stimme gezählt wurde – und ob sie richtig gezählt wurde. Gleichzeitig konnten wir auf unserer Seite nicht nachvollziehen, wer was gestimmt hatte, denn die abgegebene Stimme wird ohne Verknüpfung mit dem Namen der Stimmenden in die Blockchain geschrieben. Das Stimmgeheimnis wird also gewahrt, gleichzeitig wird der Abstimmungsprozess aber viel transparenter. Das kann gerade in Ländern, wo so etwas nicht selbstverständlich ist, ein Thema sein. Eine weiteres Projekt, das in der Stadt Zug demnächst startet, wird es erlauben, mit der E-Identität Elektrofahrräder zu entriegeln und auszuleihen und dann irgendwo in der Stadt wieder abzustellen. Per App kann nachgeschaut werden, wo sich diese Fahrräder befinden.
Wie funktioniert die Zuger E-ID?
Die Blockchain-basierte elektronische Identität der Stadt Zug präsentiert sich als App, welche persönliche Informationen mithilfe der Blockchain-Technologie sichert und mit einer Crypto-Adresse verknüpft. Haben die Bürgerinnen und Bürger ihre Identitätsdaten auf der App registriert, müssen sie bei der Einwohnerkontrolle der Stadt vorsprechen und ihre selber erstellte digitale Identität beglaubigen lassen.
Das funktioniert via Einscannen eines QR-Codes. Die Stadt führt keine zentrale Datenbank mehr, wer die App nutzt, bleibt also Herrscher über seine eigenen Daten und entscheidet bei jeder Anwendung selber, welche Informationen er wem gegenüber preisgeben will. Die digitale Identität ist auf dem Handy immer mit dabei. Sie erlaubt es, sich sowohl online als auch in der «realen Welt» auszuweisen und damit auch Prozesse zu vereinfachen: Über die E-ID könnte man sich beispielsweise bei der Einfahrt ins Parkhaus anmelden und die Parkgebühren würden dann gleich automatisch verrechnet werden. Man könnte Autos oder Velos ausleihen, ohne einen Ausweis oder eine Kreditkarte zu hinterlegen. Auch Privatunternehmen oder Banken könnten die von der Stadt beglaubigte E-Identität akzeptieren, beispielsweise für die Eröffnung einen Privat- oder Kundenkontos.
|
Haben bei der E-Abstimmung viele Leute mitgemacht?
Angemeldet haben sich etwa 200 Personen und rund ein Drittel davon hat dann auch wirklich abgestimmt. Das sind also nicht sehr viele, aber uns ging es in erster Linie eben wirklich vor allem darum, selber auszuprobieren, wie eine solche Abstimmung funktioniert. Für unsere Informatik-Abteilung war das ein grosses Lehrstück, das sie sehr gut gemeistert hat. Zweitens ging es uns, wie gesagt, darum, einen Beitrag zur Diskussion rund um die E-ID beizusteuern. Wir sind nämlich überzeugt, dass unser System für die Bürgerinnen und Bürger letztlich besser wäre. Die SwissID ist zurzeit stark von halböffentlichen Unternehmen wie der Post und den SBB getrieben, für die diese Daten auch kommerziell interessant sind. Natürlich betonen beide Unternehmen, dass sie die Daten, die beim Erstellen dieser E-Identitäten erhoben werden, nicht missbräuchlich verwenden werden – und das glaube ich ihnen auch. Trotzdem sehe ich mögliche Interessenskonflikte, etwa die Gefahr, dass Nutzerinnen und Nutzer am Ende dazu überredet werden, Informationen preiszugeben um in den Genuss günstiger Angebote zu kommen. Bei einer Blockchain-basierten Lösung gibt es dieses Problem nicht, weil niemand zentral über die Daten verfügt und immer einsehbar ist, wer welche Daten wem bekannt gibt.
Aus Sicht des Datenschutzes und der Privatsphäre wäre das also die bessere Lösung?
Genau. Kommt dazu, dass der rote Pass in Zukunft an Bedeutung verlieren und die digitale Identität an Bedeutung gewinnen wird. Ich bin aber der Überzeugung, dass es weiterhin der Staat sein muss, der Identitätsdokumente herausgibt – auch digitale. Privaten oder halbprivaten Organisationen kommt diese Aufgabe nicht zu.
Die digitale Identität scheint also eine vielversprechende Anwendung der Blockchain-Technologe. Wie steht es mit der mit der Möglichkeit Dienstleistungen der Stadt mit Bitcoins zu bezahlen, also der Kryptowährung? Wird diese Möglichkeit überhaupt genutzt?
Wir hatten bis heute ungefähr 60 Transaktionen, also auch hier nicht sehr viel. Das könnte an den spezifischen Problemen von Bitcoin liegen, an den hohen Transaktionskosten, der Langsamkeit, den Währungsschwankungen und dem hohen Energieverbrauch. Grundsätzlich könnten wir uns also nun überlegen, auch andere Kryptowährungen entgegenzunehmen. Technisch wäre das kein Problem. Wir haben uns vorläufig aber dagegen entschieden. Die Erfahrungen, die wir machen wollten, haben wir inzwischen gesammelt.
Und wie sieht Ihr Fazit aus?
Für mich ist klar, dass sich Kryptowährungen langfristig durchsetzen werden und dass auch die Nationalbanken selber Kryptowährung herausgeben werden müssen. Der E-Franken wird also sicher ein Thema werden und da ist es für eine Verwaltung sicher von Vorteil, hier bereits Erfahrungen gemacht zu haben. Der unschlagbare Vorteil, den ich sehe, ist die Vereinfachung vieler Prozesse. So müssten wir keine Rechnungen mehr ausstellen und könnten Zahlungsflüsse sehr viele einfacher handhaben.
Viele sehen Bitcoin inzwischen einfach als eine erste Anwendung der Blockchain, die sich nicht bewährt hat.
Ich denke auch, dass die Blockchain-Technologie an und für sich das bedeutendere Element ist. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Kryptowährungen eine Zukunft haben und zwar allein schon, weil sie es erlauben, die Medienbrüche zu verhindern, mit denen wir heute bei Zahlungsvorgängen im Internet noch immer ständig konfrontiert sind. Wer im Internet etwas bestellt, zum Beispiel, muss im Verlauf der Transaktion irgendwann ein Benutzerkonten einrichten, mit der Kreditkarte bezahlen oder eine Geldüberweisung machen, das heisst, Daten umständlich manuell erfassen. Das ist kompliziert und ineffizient. Dass die Kryptowährungen wieder verschwinden und die Blockchain bleibt, scheint mir deshalb viel zu absolut formuliert.
Bitcoin hat der Blockchain in letzter Zeit immer wieder Negativschlagzeilen beschert. Die Blase, hiess es, sei geplatzt. Und es wurden Bedenken laut, dass der Standort Zug dem Hype aufgesessen sei und sein Ruf nun Schaden nehmen könnte. Was sagen Sie dazu?
Bitcoin war das erste digitale Zahlungsmittel. Inzwischen ist es nur noch eine von vielen Kryptowährungen und technisch wohl auch nicht mehr die beste. Es gibt inzwischen bedeutende Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet und das ist ein weiterer Grund, weshalb ich glaube, dass sich diese Währungen am Ende durchsetzen werden. Welche davon sich letztlich bewährt, wird der Markt zeigen. Was faule ICOs oder andere Streitigkeiten angeht, so ist das am Ende wohl weniger eine Frage der Technik, die dahinter steckt, sondern der Menschen, die dahinterstehen. Jede Technologie lässt sich genauso im Guten wie im Bösen andwenden. Das ist bei der Blockchain nicht anders.