«All IP» verändert die Ausbildung
Mit der Einführung von «All IP» wandelt sich die herkömmliche Telekommunikation fundamental. Dies betrifft auch die Berufsfachschulen und die Zentren der überbetrieblichen Kurse (üK).
Die fortschreitende Digitalisierung und der Wechsel vom Zeitmultiplex (analog/ISDN) auf «All IP» machen auch vor den Schweizer Berufsfachschulen und üK-Zentren nicht halt. Ein Blick in die Schulen zeigt, dass das Thema dort angekommen ist. Die Verantwortlichen haben schon viel für die Integration von «All IP» in die Ausbildung unternommen (vgl. auch Interview). Zum Grundlagenwissen gehört neu nicht nur Physik, sondern auch Informatik.
Anforderungen an den Elektriker
Wie viel muss der Elektriker über «All IP» wissen? Wo liegt die Grenze zwischen dem Tätigkeitsgebiet der Elektroinstallateure und jenem der Telematiker? In der Praxis werden die Grenzen fliessend sein. Dies hängt ab vom ausführenden Elektroinstallations-Unternehmen, aber auch von den persönlichen Fähigkeiten der Lernenden. Bei umfassenderen Projekten werden kleinere Unternehmen Allianzen mit ICT-Spezialisten eingehen, wie sie dies schon seit Jahren praktizieren.
Unumstritten bleibt die Anforderung, dass lernende Elektroinstallateure die Endkundenberatung im Heimbereich sowie die Einrichtung einfacher Anschlüsse wie beispielsweise Bundle-Angebote der Telekomanbieter selbstständig durchführen können. Telefon, Internet und TV sind nicht mehr voneinander zu trennen, weshalb ein Elektriker alle drei Themengebiete kennen muss.
Ähnliche Anforderungen an die Installation
Was ändert sich nun bezüglich der Installation von «All IP» gegenüber ISDN? Abgesehen von der FTTH-Installation mit Glasfaser bis zum Anschluss in der Wohnung (OTO-Dose) wird «All IP» wie die bisherige Technologie über zwei Kupferadern übertragen. Auch bei «All IP» wird die Zweidrahtleitung direkt vom Hausanschlusskasten bis zur Steckdose beim Router in der Wohnung bzw. zum zentralen Verteiler verlegt. Diese Zweidrahtleitung sollte, wo immer möglich, auf den neuesten Stand gebracht werden und auf keinen Fall Zweigleitungen usw. aufweisen – dies würde die verfügbare Geschwindigkeit des Breitbandanschlusses massgeblich beeinträchtigen.
Innerhalb des Wohnraums dient die strukturierte Verkabelung zur Verteilung der Signale. Zu beachten ist dabei, dass der Router von Vorteil nicht im zentralen Verteiler zu installieren ist, da dort das WLAN-Signal oft nicht gut genug auf den Wohnraum verteilt wird (Blechkasten, Standort usw.). Die strukturierte Verkabelung ist bei allen Ausbildungszentren heute Standard-Unterrichtsstoff und wird von der Planung bis zur Installation am Qualifikationsverfahren (Lehrabschlussprüfung) geprüft.
Der «Inhalt der Leitung» ist neu
Die grösste Änderung betrifft das Signal bei «All IP». Während bei ISDN mit einem normalen Messgerät eine Störung auf einfache Art gesucht werden konnte, wird das beim digitalen Signal mit «All IP» schwieriger. Wer kein spezielles Messgerät hat, kann sich momentan nur auf die «Network Ready»-Leuchte des Routers verlassen. Swisscom stellt bereits heute Online-Tools zur Verfügung, um Leitungsmessungen durchzuführen. Künftig benötigt der Installateur zwingend ein Messgerät, um die Signal- und Hausvernetzungsqualität zu prüfen und eine professionelle Installation garantieren zu können. Die Mess- und Störungsbehebungsthemen sollen deshalb künftig auch in den Berufsschulen und den üK-Zentren intensiver thematisiert werden.
«Wer mit der Entwicklung geht, gehört zu den Gewinnern»
Zwei Berufschullehrer geben Auskunft: Siegfried Achermann (Leiter der Erfahrungsaustauschgruppe des Schweizerischen Maschinenbau-, Elektro- und Informatikfachlehrer-Verbands SMEIV) und Peter Meier von der Berufsschule Bülach.
Was bedeutet für Sie die Entwicklung von «All IP»?
Siegfried Achermann: Wenn wir schauen, wie rasend schnell sich die Datenkommunikation entwickelt, ist «All IP» eine grosse Chance für die Branche. Die Lehrkräfte sind bereit, sich in die neue Technik einzuarbeiten und Erfahrungen auszutauschen. Wir sind dazu im SMEIV in einer Fachgruppe organisiert. Im Fokus steht die Lösung für den Kunden: sowohl eine Beratung als auch eine hochwertige Installation durch das gut ausgebildete Personal der Elektrobranche.
Wie reagieren die Berufsschulzentren auf den Wandel zu «All IP»?
S. A.: Wir sind ständig daran, uns weiterzuentwickeln, und sind es gewohnt, uns mit Neuem auseinanderzusetzen. Wir sind uns bewusst, dass wir als Erstes die Lehrkräfte schulen und weiterbilden müssen. Dabei evaluieren wir gleichzeitig, was für die Schule umsetzbar ist. Daraus resultieren die Minimalanforderungen an die Lernenden. In Freifächern kann interessierten Lernenden weiterer Stoff vermittelt werden.
Peter Meier (links) und
Siegfried Achermann von
der Berufsschule Bülach
Bis wann sind die Schulen fit?
S. A.: Für uns ist die Zusammenarbeit mit Swisscom sehr wichtig. Wir sind ein gut eingespieltes Team, das hier zusammenarbeitet, und der Support, den wir seitens Swisscom erhalten, ist sehr gut. Erste Schulen haben bereits Erfahrungen gesammelt, andere werden folgen. Bis spätestens Ende 2016 sollen alle Schulen fit sein. Dazu gehören das theoretische Wissen, aber auch eine neue Infrastruktur. Wer mit der Entwicklung geht, gehört zu den Gewinnern.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Lehrer?
Peter Meier: ISDN ist eine Technologie, die sich nicht in dem Masse verändert hat, wie es bei «All IP» der Fall ist. Bei beiden geht es aber von der Hardware zur Software. Als Lehrkräfte können wir aktuell noch nicht auf einen so grossen Erfahrungsschatz zurückgreifen wie bei ISDN. So werden zu Beginn vor allem die kniffligen Fragen der Lernenden eine Herausforderung für uns sein.
(Fotos: zvg)
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