Nicht nur Daten, auch Taten zählen!

«… und du hast nur drei Versuche; wenn es dir nicht gelingt, ist es dir für immer verloren!» Wer kennt dieses immer wiederkehrende Zitat aus den Märchen unserer Kindheit nicht? Mir jedenfalls ist es immer dann gegenwärtig, wenn ein Bildschirm mir kundtut: «Falsches Passwort / falscher Pincode: Sie haben noch zwei Versuche…» Und dann ist im schlimmsten Fall die Bankkarte oder der Zugang – wohin auch immer – verloren; und das mühsame Prozedere des Neubeschaffens beginnt.

Ja, das ist ein unangenehmer Nebeneffekt der Digitalisierung. Da ist kein freundlicher Angestellter mehr, den man Aug‘ in Aug‘ von der Dringlichkeit des Anliegens zu überzeugen versucht. Passwörter, Pincodes, Zugangsberechtigungen: Sie sind heute die Schlüssel zur digitalen Welt. Wer sie verliert oder nicht erhält, bleibt draussen. Doch sich der Digitalisierung verschliessen? Unmöglich. Wir lösen schon lange unser Zugbillet am Automaten oder am PC und laden es auf unser Handy, beziehen unser Bargeld, das wir doch noch bisweilen benötigen, am Bancomaten, buchen Reisen, bezahlen unsere Monatsrechnungen und kaufen gemütlich von zuhause aus ein. Self-Check-in am Flughafen und Self-Check-out bei unseren Detailhändlern sind schon fast selbstverständlich. Das elektronische Patientendossier wird in nächster Zukunft Realität.

Ist all dies zu unserem Vorteil? Ja, durchaus. Denn wir sind an keine Büro- und Ladenöffnungszeiten gebunden, konsumieren Dienstleistungen und Waren, wann es uns passt und – das ist das Wesentliche – in unserem eigenen Tempo. Da müssen wir uns nicht wegen des Müetis ärgern, das vor uns am Schalter noch ein ewiges Schwätzlein hält. Wir fühlen uns nicht bedrängt vom Kunden hinter uns in der Schlange, wenn wir noch einige weitere Abklärungen brauchen. Und gerade bei der Gesundheit wird es von grossem Vorteil sein, wenn endlich alle Daten in einem einzigen, elektronischen Dossier gesammelt sind. Das kann zur Kostensenkung im arg gebeutelten Gesundheitssektor beitragen (Stichwort Verhinderung Mehrfachbehandlungen). Genauso ressourcenschonend ist es, nicht mehr alles auf Papier auszudrucken und zu versenden. Die Digitalisierung macht unser Leben einfacher, wenn man sich ihr nicht verschliesst. Und sie kann weitere Vorteile bringen. So können Umfragen zur Produktequalität für beide Seiten sinnvoll sein. Zumal schlechte Produkte heutzutage mir nicht, dir nichts an den Internetpranger gestellt werden. Das verpflichtet…!

So weit, so gut. Doch verlangt die Digitalisierung vom Konsumenten auch eine gewisse Selbständigkeit, eine gute Portion gesunden Menschenverstandes, ein Quentchen Misstrauen. Blauäugigkeit und Naivität schaffen Opfer. Viele Konsumenten geben ohne zu zögern oder den Absender etwas genauer zu prüfen ungefragt persönliche Daten preis – und regen sich dann über die Werbemailflut auf. Sie sind sich nicht bewusst, dass ihre Kontaktangaben sehr viel Geld wert sind. Andererseits bringen diese Angaben nicht nur dem Händler, sondern auch dem Konsumenten etwas. Dies abzuwägen, ist Sache des Kunden: «Was ist es mir wert?»

Wir können den Verlust der Arbeitsplätze bedauern, der durch die Digitalisierung entsteht. Wir können aber auch die Chancen sehen: nämlich das Generieren völlig neuer Arbeitsfelder und -plätze. Dramatischer sehe ich den Verlust der kleinen Detailgeschäfte in unseren Innenstädten. Läden, in denen nicht mehr eingekauft wird, da alles nur noch elektronisch bestellt wird (horribile dictu: sogar im Ausland!), verschwinden und verändern somit das Stadtbild grundlegend. Doch auch hier hat es der Konsument in der Hand: Er trägt Verantwortung – nicht nur für seine Daten, sondern auch für seine Taten.

Babette Sigg FrankKonsumentenforum kf

Babette Sigg Frank ist die Präsidentin des Konsumentenforums, der ältesten Komsumentenschutzorganisation der Schweiz.