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Die FDP Schweiz sieht die Digitalisierung vor allem als Chance. Warum?
Weil sie der Schweiz die Möglichkeit bietet, in vielen Bereichen Arbeitsabläufe neu zu definieren, veraltete Bürokratie abzubauen und in Sachen Innovation Weltspitze zu bleiben. Das sehe ich als riesige Chance.
Und wie steht es mit den Risiken?
Natürlich ist die Digitalisierung auch eine Herausforderung, weil sie sehr viel verändert. Und Veränderungen machen den Menschen zuerst einmal Angst, das ist normal. Aber ich bin sicher, dass wir ihnen diese Angst nehmen und die Risiken abfedern können. Dafür müssen wir in die Bildung – Schule, Aus- und Weiterbildung – investieren und die Menschen fit für die Zukunft machen. Wir müssen ihnen das Wissen und Denken mitgeben, um mit den Veränderungen Schritt halten zu können. Aber um auf die erste Antwort zurückzukommen: Veränderungen bringen vor allem auch Chancen. Und diese sollten wir nutzen. So wie es die Schweiz in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich gemeistert hat.
Wie viel Digitalisierung verträgt der Mensch?
Wir stecken schon mitten in dieser vierten industriellen Revolution. Bisher hatten die Menschen mehr Zeit, sich an den Wandel anzupassen. Das ist heute anders, denn die Zyklen werden immer kürzer. Deshalb ist für mich der richtige Weg für die Schweiz, jetzt in die Offensive zu gehen, die Chance zu packen und zu versuchen, in Sachen Digitalisierung Weltspitze zu werden. In der ersten Spielhälfte sind wir bereits in Rückstand geraten: Ein Grossteil der Firmen, die in der digitalen Wirtschaft führend sind, stammen aus dem Silicon Valley, gefolgt von Unternehmen aus China und andern asiatischen Ländern. Wir haben aber das Potenzial, um in der zweiten Hälfte wieder vorne mitzumischen. Jetzt müssen wir uns anstrengen, die Chancen packen und mit Freude und viel Innovation weitermachen.
Sie sagen «wir»: Wen meinen Sie damit? Den Staat, die Politik, die Wirtschaft?
Alle! Die Wissenschaft, die bereits heute viele Innovationen hervorbringt und die Wirtschaft, die bereits hervorragendes leistet, müssen dran bleiben. Verschnaufpausen gibt es keine! Der Auftrag der Politik ist, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Innovationen nicht durch bestehende oder neue Regulierungen behindert werden. Und die Gesellschaft, die bereit sein muss, sich dem Neuen zu stellen und die Herausforderungen annimmt. Ich bin fest überzeugt, dass uns das gelingt!
Was heisst das konkret?
Ein Beispiel ist die Arbeitszeit. Die Stempeluhr stammt noch aus der Zeit der zweiten industriellen Revolution – wenn wir diese Art von Zeiterfassung beibehalten, verunmöglichen wir all die flexiblen Arbeitsformen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Oder nehmen wir jemanden, der bei Uber arbeitet: Ist der jetzt angestellt, ist er selbstständig? Auf die Fragen, die sich da in Bezug auf das Sozialrecht, auf Versicherungen und Haftung stellen, muss die Politik Antworten suchen. Und das bedeutet, neue Wege zu gehen. Denn mit den altbekannten Mitteln und Ansätzen finden wir diese Antworten nicht.
Manche führen das Erstarken des Populismus oder die Wahl von Präsident Donald Trump darauf zurück, dass der rasante technische Wandel bei breiten Schichten Unzufriedenheit und Ohnmachtsgefühle auslöst und ihr Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und dem politischen Establishment schüren. Sehen sie da auch für die Schweiz eine Gefahr?
Was in der Bevölkerung Ängste schürt, ist für die Politik immer gefährlich – da muss sie fähig sein, Antworten bereitzuhalten. Ganz sicher müssen wir mit den geeigneten Rahmenbedingungen den Schwächsten weiterhin einen gewissen Schutz bieten können. Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung unter dem Strich Arbeitsplätze vernichten wird. Im Gegenteil, ich glaube sogar dass mehr Jobs geschaffen werden – es wird aber eine Übergangsphase geben, die wir begleiten müssen. Wichtig ist auch hier, dass wir genau dort, wo solche Umbrüche geschehen, die Ausbildung fördern und den betroffenen Personen die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln und für diese neue Welt fit zu machen. Das bedingt in einem ersten Schritt, dass der Bund genügend Mittel zur Verfügung stellt – auf Kosten von welchen anderen Budgetposten das gehen soll, darüber wird Politik ernsthaft debattieren müssen.
Und was passiert mit denen, die nicht umgeschult werden können oder wollen? Brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Damit kann ich gar nichts anfangen – genauso wenig wie mit der Altersversorgung 2020, die für mich ein erster Schritt hin zu einer Volksrente wäre. Der Mensch wird sich nicht einfach auf die faule Haut legen, sondern auch in Zukunft einer Arbeit nachgehen wollen. Ich denke, dass die Politik auch hier gefordert ist, neue Antworten zu finden. Es gibt, gerade in einer alternden Gesellschaft mit wachsendem Pflegebedarf, viele sinnvolle Aufgaben, die nicht computerisiert oder automatisiert werden können. Und zwar, weil sie eine emotionale Intelligenz voraussetzen, die keine noch so smarte Maschine je besitzen wird. Diese Aufgaben müssen dann aber auch gesellschaftlich aufgewertet und anständig bezahlt werden – auch diese Debatte wird stattfinden müssen.
Zurück zur Wirtschaft: Die Digitalisierung hat mit disruptiven neuen Geschäftsmodellen schon manches altbewährte Legacy-Unternehmen aus dem Markt gefegt. Welchen Rat würden Sie Schweizer Unternehmen auf den Weg geben?
Die Schweizer Wirtschaft hat sich immer dadurch ausgezeichnet, sehr innovativ und sehr beweglich zu sein. Natürlich bringt die Digitalisierung Herausforderungen – aber sich immer wieder neu anpassen, neu ausrichten zu müssen, sich anderswo umsehen, neue Ideen umzusetzen, das gehört zu einem Unternehmerleben. Sicher ist es heute nicht mehr ratsam, sich auf seinem Erfolg auszuruhen: Wenn ein Unternehmen eine neue Entwicklung verpasst, dann kommt es eben zu Flurbereinigungen – aber daraus entsteht immer auch Neues.